Weinfarbenverständnis
Bei der gezielten
Degustation ist die Farbe dagegen ein wesentlicher, oftmals
unterschätzter Indikator für Qualität, sind doch Entwicklung,
Extraktion und Reifung der Aroma- und Farbstoffe eines Weins eng
miteinander verknüpft. So lässt sich aus der Farbe auf die
geschmackliche Konzentration, die Güte des Jahrgangs, auf Rebsorte,
Machart und Alter schließen. Das setzt jedoch voraus, dass die Farbe
auf natürliche Weise zustande gekommen ist, also nicht auf
künstliche Farbverstärkung wie beispielsweise Additive oder Enzyme
zurückgeht, die heute ohne allzu großen Aufwand auch einem
Mittelklasse-Rotwein eine tiefdunkle, wenn nicht fast schwarze Farbe
verleihen können.
Eine Farbe nicht nur
nach ästhetischen Gesichtspunkten zu beurteilen setzt allerdings
umfangreiche Kenntnisse der Weinchemie voraus. Lange Zeit wurde
deshalb bei Verkostungen die Farbe zwar weiterhin betrachtet, jedoch
nur selten als Qualitätsspiegel benutzt. Erst die Mode tiefdunkler,
nahezu schwarzer Rotweine lenkte die Aufmerksamkeit wieder verstärkt
auf das Erscheinungsbild eines Weins.
Wie kommt die Farbe in den Wein?
Alle Rotwein- und Weißweintrauben enthalten von Natur aus
Farbpigmente. Diese sind je nach Reifegrad und Traubensorte heller
oder dunkler, und weniger oder mehr in den Beerenhüllen konzentriert.
Dieses Farbpotential eines Weins entsteht bereits im Hang.
Ausgangsbasis ist dabei die Rebsorte. Dabei ist jedoch Pinot Noir nicht gleich Pinot Noir und
Cabernet nicht gleich Cabernet, existieren doch die
meistangebauten Rebsorten der Welt in verschiedenen Varietäten.
Durch die Klonselektion zugunsten von Klein- und Großbeerigkeit,
Niedrig- oder Hochertragspflanzen werden die Grundlagen zur
Verbesserung von Qualität oder Quantität geschaffen und verschaffen so den Farben der Trauben ihre speziellen Nuancen.
Danach sind es
Rebschnitt, Laubwerksarbeit und Düngung, die sich generell auf die
Qualität und speziell immer auch auf die Farbe des Weins auswirken.
Erst an dritter Stelle kommt dann die Arbeit im Weinkeller, wo das
Farb- und damit auch das Aromapotential ausgeschöpft werden muss. Zu
guter Letzt wird die Dauer und Art der Lagerung des Weins Spuren in
seinem Erscheinungsbild hinterlassen. Und auch hier geht jede
Farbveränderung mit geschmacklichem Wandel einher.
Einmal Wein Schranke, bitte. - Rotwein klar, aber Weißwein?
Weißwein wird
häufig als Wein ohne Farbe bezeichnet, da er meist ohne
Maischekontakt vinifiziert wird. Das stimmt nun nicht ganz. Die von blassgrün bis goldgelb reichende Farbe des Weißweines ist für das menschliche Auge nur schwerer zu erkennen,
da ihr Farbspektrum großenteils im ultravioletten Bereich liegt. Normalerweise kommt es im Weißwein zu einer Mischung aus grünen und
gelben Pflanzenfarbstoffen. Diese Phenole befinden sich nicht nur in
den Schalen, sondern auch im Fruchtfleisch hellhäutiger Trauben.
Deshalb enthalten Weißweine, deren Saft nicht auf den Schalen
vergoren wurde, immer auch eine gewisse Menge an Farbpigmenten.
Das größte
Farbpotential besitzen Trauben mit leicht purpurner oder grau rosa
Färbung. Bei anderen Sorten sorgt eine abweichende chemische
Zusammensetzung der Farbstoffe für grünliche Reflexe im Wein, dies kann aber auch durchaus am Glas liegen. Auch dieses Medium spielt in die Farbgestaltung des präsentierten Weines mit ein. Mit dem Beginn der Gärung werden
die Farbstoffe physikalischen, chemischen und biologischen Einflüssen
ausgesetzt, die mehr oder weniger deutliche Spuren im Wein
hinterlassen.
Rot, die bekannteste Farbe unter den Weinen
Rotwein enthält im
Durchschnitt zehnmal mehr Farbstoffe als Weißwein. Diese
Anthocyane stammen ausschließlich aus der Beerenhülle, wo sie sich
erst im Reifestadium der Traube bei direkter Sonneneinstrahlung
entwickelt haben. Das Farbpotential eines Rotweins wird umso größer sein,
je dicker und reifer die Schale der Beeren ist und je weniger Saft
sie enthalten. Zudem wirken Tannine auf die Farbstoffe
stabilisierend, weshalb tanninreiche Weine farbintensiver sind.
Dickschalige Rebsorten wie Cabernet Sauvignon und Syrah liefern von
Natur aus dunkle Rotweine, wohingegen bei dünnschaligeren Varietäten
die Farbdichte geringer sein wird.
Eine optimale Arbeit im Weinberg
vorausgesetzt, kann jedoch auch eine dünnschalige Sorte
farbintensive Weine liefern, sofern ihr Ertrag niedrig gehalten und
das Laub der Stöcke angemessen ausgelichtet wird. In der
Kellerarbeit hängt die Farbextraktion dann ganz wesentlich davon ab,
wie lange und bei welcher Temperatur der Traubensaft in Kontakt mit
den eingemaischten Traubenschalen zusammen bleibt. Deshalb besteht durchaus die
Gefahr der Überextraktion, die den Wein jeglicher Eleganz und Farbintensivität beraubt.
Die farbenfrohesten Weine müssen also nicht grundsätzlich die Besten sein. Hinter einem blass-wässrigen Erscheinungsbild wird sich
allerdings nur in seltenen Ausnahmefällen ein großartiger Wein
verbergen.
Also greifen Sie zur nächsten Flasche und schmecken sie den Farbenreichtum der Winzer dieser Welt. Vielleicht finden Sie ja das Gold am Ende des Weinregenbogens.